Theorien der Partnerwahl

Dieser Überblick stellt ausgewählt theoretische Ansätze und empirische Befunde zur menschlichen Partnerwahl dar. Der Darstellung legt einer evolutionspsychologischen Sichtweise zu Grunde, die auf differenzielle Aspekte der Partnerwahl abzielt.


Beschäftigt man sich mit dem Thema Partnerwahl, so könnte die erste intuitive Hypothese lauten, dass alle Partnerwahl – oder die konkret beobachtbaren Paarbildungen zwischen zwei Menschen – sich zufällig ergeben. Der Zustand, in dem alle Paarbildungen in einer Population zufällig erfolgen, wird Panmixie genannt. Allerdings entspricht Panmixie nicht dem Verhalten, das man in der Realität findet. Die Abweichungen von der Panmixie sind sogar sehr auffällig und haben nicht zuletzt wegen dieser Auffälligkeit sprichwörtliche Bedeutung erlangt. Die Sprichwörter „Gleich und gleich gesellt sich gerne“ und „Gegensätze ziehen sich an“ beschreiben den Prozess der Partnerwahl bzw. Paarbildung aus alltagspsychologischer Sicht. In der Wissenschaft wird dies gerichtete bzw. assortative Partnerwahl genannt. Diese gerichtete Partnerwahl kann man nun noch genauer aufschlüsseln. Man kann zwischen Homogamie und Heterogamie unterscheiden. Homogamie meint, dass die Partner in bestimmten Eigenschaften gleiche Ausprägungen zeigen, Heterogamie meint, dass die Partner in einer bestimmten Eigenschaft gegensätzliche Ausprägungen aufweisen. Nach Buss und Barnes (1986) ist die Paarbildung beim Menschen mit Ausnahme des biologischen Geschlechts deutlich homogam. Es zeigen sich deutlichen Übereinstimmungen in Bezug auf Alter, Rasse, Religion, sozialen Status, Intelligenz, Werte, Interessen, Einstellungen, Persönlichkeitseigenschaften, Rauschmittelkonsum, physischer Attraktivität, Körpergröße, Gewicht Lungenvolumen und sogar der Länge des Ohrläppchens (siehe Tabelle 1 nach Asendorpf und Banse, 2001, für einen Überblick).

Tabelle 1: Übereinstimmungen von Paaren bei verschiedenen Merkmalen.
Merkmalsbereich Korrelationen
Körpermaße .10 bis .30
Intelligenz .37
Bildungsniveau .38 bis .52
Physische Attraktivität .46
Persönlichkeit -.23 bis .47
Werte .20 bis .58
Religiosität, Konservatismus, Autoritarismus .40 bis .70

Auffallend ist, dass es bei dem Punkt Persönlichkeit negative Korrelationskoeffizienten gibt. Dies deutet auf Heterogamietendenzen hin, aber im Persönlichkeitsbereich ist die durchschnittliche Korrelation .15 (Asendorpf und Banse, 2000).

Allerdings stellen diese Zusammenhänge nicht mehr als eine Beschreibung der Paarbildung innerhalb einer Population dar. Interessanter für uns sind die psychologischen Mechanismen, die im Endeffekt zu diesen Paarbildungsmustern führen. Berscheid und Walster (1974) diskutieren die Wettbewerbshypothese im Kontext der physischen Attraktivität. Die Wettbewerbshypothese besagt, dass die Übereinstimmung bei Paaren die Folge eines „Marktmechanismus“ ist, der für eine Angleichung der Merkmale, in diesem Fall physische Attraktivität, sorgt. Danach haben die attraktivsten Individuen die Wahl unter den attraktivsten gegengeschlechtlichen Partnern. Aufgrund ihrer eigenen hohen Attraktivität und eines damit einher gehenden hohen „Marktwertes“ werden sie einen Partner mit ähnlich hoher Attraktivität wählen. Der Begriff „Marktwert“ dient hier nur als bildliche Umschreibung um den Wert eines Individuums als Partner abschätzen zu können. Der Begriff „Marktwert“ wird später im Rahmen der Partnerwerttheorie präzisiert werden. Die weniger attraktiven Individuen werden zwar die möglichen Partner mit hoher Attraktivität begehren, werden von diesen aber abgewiesen werden - und selbst wiederum die noch unattraktiveren Verehrer zurückweisen. Insofern sind die möglichen Partner nur noch die weniger attraktiven und unattraktiven Individuen. Die unattraktiven Individuen sind als möglicher Partner ausgeschlossen und somit bilden die weniger attraktiven gegengeschlechtlichen Individuen den Pool möglicher Partner. Der gleiche Prozess wiederholt sich nun noch einmal für die unattraktiven Individuen (für eine anschauliche Beschreibung des im Wettbewerb ablaufenden Prozesses siehe Miller, 2001). Eine Abwandlung der Wettbewerbshypothese ist die Matching Hypothese von Kalick und Hamilton (1986). Diese besagt, dass ein Individuum aus Angst vor Zurückweisung nicht nach dem attraktivsten Partner sucht, sondern einen Partner gleicher Attraktivität anstrebt. Eine neuere Erklärung ist die Self-Seeking-Like (SSL) Hypothese von Alvarez und Jaffe (2004). Hier wird nicht nur das Merkmal der physischen Attraktivität betrachtet sondern es werden die Ähnlichkeiten bezüglich mehreren Eigenschaften betrachtet. Dabei resultiert die Ähnlichkeit bei Paaren in einer Übereinstimmung der jeweiligen individuellen Präferenzen. Die Frage ist folglich, welche individuellen Präferenzen vorliegen und wie diese entstehen, wobei sich Alvarez und Jaffe bei der Erklärung hauptsächlich auf Merkmale des Gesichts konzentrieren. Obwohl sich die Hypothese auf allgemeine individuelle Präferenzen bezieht, diskutieren Alvarez und Jaffe die SSL Hypothese im Zusammenhang mit Merkmalen, die sich zum größten Teil auf Merkmale des Gesichts beziehen. Allerdings beziehen sie sich dabei nicht nur auf das Merkmal physische Attraktivität. Danach findet ein Prozess der Prägung auf die Gesichter der Eltern statt. Die Gesichter der Eltern vermitteln Vertrauen und es wird eine Vorstellung von Attraktivität etabliert. Der gleiche Mechanismus findet dann später bei der Partnerwahl Anwendung. Da die Merkmale des Gesichts stark erblich sind (und somit Kinder und Eltern einander ähneln) führt dies auch dazu, dass die Partner einander ähnlich sehen. Dieser Mechanismus soll dafür sorgen, dass eine Paarung unter genotypisch und phänotypisch ähnlichen Partnern stattfindet, ohne dass sich Inzucht einstellt. Die Ähnlichkeit in der Physiognomie der Gesichter ist bei Partnern deutlich belegt (siehe Griffiths und Kunz, 1973; Zajonc, Adelmann, Murphy und Niendenthal, 1987). Das Modell konnte von den Autoren auch empirisch bestätigt werden. Dazu wurden jeweils Bilder von Paaren, die zufällig gemischt wurden, Versuchpersonen dargeboten deren Aufgabe war es die Bilder entsprechend zuzuordnen. Der Versuch wurde als Doppelblindversuch durchgeführt und mögliche Einflussfaktoren wie z. B. der Hintergrund der Bilder wurden kontrolliert. Die Versuchspersonen ordneten die Paare auf einem Niveau zu, das statistisch signifikant von Zufallsniveau abwich. Allerdings lag bei der Zuordnung von 36 Paaren (entsprechend 72 Gesichtern) die Trefferquote im Mittel nur bei 2.50 richtigen Zuordnungen bei 25 weiblichen Versuchspersonen und bei 0.91 richtigen Zuordnungen für 18 männliche Versuchspersonen. Wurde die Aufgabe vereinfacht, indem nur noch jeweils 6 Paare einander zugeordnet werden sollten, so lag die mittlere Trefferquote bei weiblichen 35 Versuchspersonen bei 1.71 richtigen Zuordnungen und bei 35 männlichen Versuchspersonen bei 1.91. Offensichtlich handelt es sich wohl um schwache Effekte, wobei allerdings berücksichtigt werden muss, dass hier nicht die eigene Partnerwahl getestet wurde, sondern das Zuordnen von fremden Gesichtern aufgrund physiognomischer Ähnlichkeit.

Mit dem kognitiven Prozess der Partnerwahl im Kontext der Selbstwahrnehmung haben sich Buston und Emlen (2003) beschäftigt. Sie gingen von der Annahme aus, dass in westlichen Gesellschaften die Präferenzen für eine bestimmte Eigenschaft von der Selbstwahrnehmung der Eigenschaft abhängen und dass durch einen kognitiven Prozess die Selbstwahrnehmung in eine Präferenz für diese Eigenschaft bei Langzeitpartnern überführt wird. Durch diese Überführung kommt es zur Bildung einer Entscheidungsregel, welche es ermöglicht einzuschätzen, ob jemand als Partner in Frage kommt. Diese Annahmen sind äquivalent mit der SSL Hypothese. Zur Überprüfung wurden männliche und weibliche Versuchspersonen gebeten, die Wichtigkeit von zehn Eigenschaften, die ein Langzeitpartner haben sollte, zu beurteilen. Dies waren finanzielle Ressourcen, physische Attraktivität, Treue, Elternqualitäten, sozialer Status, Gesundheit, Kinderwunsch, Zuwendung, Ehrgeiz und Familienbande. Diese Beurteilung wurde mit den Präferenzen der Versuchspersonen gleichgesetzt. Anschließend sollten die Versuchspersonen die Ausprägung der jeweiligen Eigenschaft bei sich selbst einschätzen. Schließlich wurden beide Beurteilungen korreliert und es fanden sich sowohl für Männer als auch für Frauen statistisch signifikante Zusammenhänge. Bei eine polynomialen Regression mit quadratischen Polynomen zeigte sich bei 507 Frauen eine Varianzaufklärung von 36 Prozent für den Zusammenhang von Partnerpräferenzen und der Selbstwahrnehmung der entsprechenden Eigenschaft, bei 471 Männern betrug die Varianzaufklärung 37 Prozent. Alles in allem zeigt sich zwar ein deutlicher Trend zur Homogamie, aber es gibt dazu mindestens drei mögliche Erklärungsansätze: Die Wettbewerbshypothese, die Matching Hypothese und die SSL Hypothese. Asendorpf und Banse (2000) führen für bestimmte der in Tabelle 1 aufgeführten Eigenschaften noch eine weitere Möglichkeit an, das soziale Milieu. So gibt es Belege dafür, dass Personen, die sich im gleichen sozialen Milieu bewegen, sich in ihren Einstellungen und Werten ähnlich sind (de Hann und Uunk, 2001). Asendorf und Banse (2000) ziehen aus der Befundlage folgenden Schluss: „Die Ähnlichkeit zwischen Partnern lässt sich auf drei Ursachen zurückführen: eine höhere Wahrscheinlichkeit, ähnliche potenzielle Partner kennen zulernen als unähnliche; eine aktive Vermeidung sehr unähnlicher Partner; und eine Suche nach dem attraktivsten Partner.“

Buss und Barnes (1986) haben um die Vielfalt der möglichen Erklärungen theoretisch zu ordnen ein Ebenenmodell entwickelt. Die erste Ebene wird durch diejenigen Eigenschaften charakterisiert, die von allen Männern und allen Frauen übereinstimmend bevorzugt werden, die aber nicht immer in der gewünschten Ausprägung zu finden sind. Dadurch kommt es dazu, dass nur wenige einen Partner finden, der perfekt ihren Präferenzen entspricht. Die zweite Ebene wird durch die Geschlechtsunterschiede in den Partnerwahlpräferenzen charakterisiert. Dies führt dazu, dass männliche und weibliche Individuen jeweils unterschiedliche Eigenschaften bevorzugen. Die dritte Ebene beinhaltet interindividuelle Unterschiede in den Präferenzen. Die individuellen Unterschiede führen zu einer Vergrößerung der gerichteten Partnerwahl. Allerdings stellt das Ebenenmodell nichts weiter dar, als eine abstraktere Formulierung der oben beispielhaft aufgeführten Partnerwahltendenzen.

Nun wollen wir die Betrachtung der menschlichen Partnerwahl noch etwas ausdehnen. Bis jetzt haben wir den Fall betrachtet, dass ein Mensch einen Partner wählt und bei ihm bleibt. Wird ein Partner dauerhaft gewählt und auch dauerhaft behalten, bezeichnet man dies als Monogamie. Ähnlich wie bei der Homo- und Heterogamie handelt es sich bei den im Folgenden zu beschreibenden Formen Polygamie, Polyandrie und Monogamie um Formen der menschlichen Partnerwahl. Allerdings wir der Focus der Betrachtung von der Ähnlichkeit der Partner auf die zeitliche Dauer bzw. die Anzahl gleichzeitiger Beziehungen gelegt. Darüber hinaus gibt es noch die Polygamie und die Polyandrie. Polygamie teilt sich in Polygynie und Polyandrie. Polygynie bedeutet, dass ein Mann mehrere Frauen als Partner hat (Vielweiberei) und Polyandrie, dass eine Frau mehrere Männer als Partner hat (Vielmännerei). Dabei ist es möglich die Partner parallel nebeneinander zu haben als auch in einer mehr oder minder schnellen Abfolge hintereinander (serielle Monogamie). Beim Menschen dominiert die Polygamie, in ca. 84 Prozent der menschlichen Sozietäten leben die Menschen polygam (Murdock, 1967). Murdock führt 849 Gesellschaften auf, von denen 708 polygyn leben, 137 monogam und lediglich vier polyandrisch. Dabei sind beim Menschen beide Formen der Polygamie beobachtbar, häufig haben Männer mehrere Partnerinnen hintereinander oder aber gleichzeitig (Fremdgehen). Erklärungen für die Dominanz der Polygamie beim Menschen bieten sich mehrere an. So kann ein Mann nach dem Prinzip von Bateman (1948) seinen differenziellen Reproduktionserfolg allein dadurch steigern, dass er mit möglichst vielen Frauen kopuliert. Erweitert wird diese Sichtwiese durch die Überlegungen zum parentalen Investment von Trivers (1972). Das parentale Investment stellt dabei jede Zuwendung an die Nachkommen dar, welche deren Wahrscheinlichkeit zu überleben und in Folge auch die Wahrscheinlichkeit sich fortzupflanzen erhöht. Nach Trivers ist nun dasjenige Geschlecht, das ein höheres parentales Investment zeigt, wählerischer bei der Partnerwahl, während dasjenige Geschlecht, das weniger investiert, mehr um den Zugang zu Partnern (mit möglichst hohem Partnerwert) wetteifert. Geschlechtsunterschiede im Partnerwahlverhalten, die ebenfalls eine Art individueller Unterschiede darstellen, werden somit durch die unterschiedlichen parentalen Investitionen der Geschlechter erklärt. Beim Menschen ist das weibliche Geschlecht das mit den höheren Investitionen, und somit auch das wählerischere. Frauen werden also solche Männer suchen, die ihre ganzen parentalen Investitionen in die gemeinsame Nachkommenschaft einbringen, insbesondere wird sie dabei solche Männer bevorzugen, die ihre ganzen Ressourcen nur für die momentane Partnerin und ihre Kinder aufbringen. Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen der Mann so große Ressourcen bzw. einen so großen sozialen Status hat, dass die Frau auch dann die Wahrscheinlichkeit des Überlebens und der erfolgreichen Fortpflanzung des gemeinsamen Nachwuches sichern kann, wenn sie nicht die einzige Partnerin ist. Deshalb gibt es nach Betzig (1992, zitiert nach Archer 1996) Polygynie häufig dort, wo mächtige Männer sehr große Ressourcen haben, von denen dann eine Frau und ihr Nachwuchs auch dann profitieren können, wenn sie nicht die einzige Partnerin ist. Wenn ein Mann zugleich mehrere Partnerinnen hat (etwa im Falle eines Harems) spricht man auch von Polygynie statt von Polygamie. Polygynie ist also eine spezielle Form der Polygamie. So erzählt man sich die Geschichte des Königs Moulay Ismail von Marokko, der angeblich über 1000 Kinder gezeugt haben soll (Archer, 1996). Aber nicht nur in solchen Fällen lässt sich Polygynie finden, auch bei den Mormonen gibt es Polygynie, ohne dass ein bestimmter Mann besonders mächtig ist oder besonders viele Ressourcen hat. Eine andere Erklärung für das Vorkommen der Polygamie ist die frequenzabhängige Selektion und die soziosexuelle Orientierung einer Person. Nach dem Konzept der frequenzanhängigen Selektion ist der Anpassungsgrad einer Eigenschaft abhängig von deren Häufigkeit in der Population. Gibt es in einer Population nur sexuell restriktive Frauen, so können Frauen die nicht sexuell restriktiv, sind dadurch „hochwertige“ Partner anziehen und somit ihren differenziellen Reproduktionserfolg steigern. Dies hält solange an, bis die Anzahl der sexuell freizügigen Frauen in der Population zunimmt und so die sexuell restriktiveren Frauen wieder einen höheren differenziellen Reproduktionserfolg erzielen. Auf diese Weise pendelt sich ein Gleichgewicht zwischen sexuell freizügigen und sexuell restriktiven Frauen ein (für eine detaillierte Beschreibung dieses Prozesses siehe Gangestad und Simpson, 1990).

Sowohl für die proximaten Mechanismen, welche zur Bildung von Homogamie führen, als auch für die Mechanismen, welche die Polygynie bedingen gibt es ultimate Erklärungen. Diese Mechanismen stellen also EPM dar und sind somit Anpassungen an einen bestimmten Selektionsdruck. Aus Sicht der evolutionären Persönlichkeitspsychologie sind diese EPM nichts weiter als bestimmte Verhaltensstrategien- und taktiken, um bestimmte Ziele (in diesem Fall die erfolgreiche Partnersuche und Paarung) zu erreichen. Die individuellen Unterschiede entstehen durch die Anwendung jeweils unterschiedlicher Strategien, die aber alle das gleiche Ziel haben. Nach Buss und Schmitt (1993) folgt daraus aber auch, dass die menschliche Partnerwahl strategische Aspekte hat. Diese EPM haben nach den Autoren dabei die Form von Präferenzen angenommen. Diese Präferenzen erhöhen in ihrer Eigenschaft als Anpassung die Wahrscheinlichkeit, dass ein Individuum ein Anpassungsproblem erfolgreich löst. Wie auch schon bei den Verhaltenstrategien- und taktiken muss auch hier betont werden, dass diese Präferenzen dem Individuum nicht bewusst sind. Den Autoren zufolge sind diese Präferenzen kontextsensitiv, d. h. je nach Kontext zeigen sich unterschiedliche Präferenzen, da es für jeden Kontext unterschiedliche Anpassungsprobleme gibt. Sie konzentrieren sich bei ihren weiteren Betrachtungen auf die Kontexte Kurz- und Langzeitpartnerschaften und bauen die Sexual Strategies Theory aus (SST, Buss und Schmitt, 1993). Der SST liegen folgende Annahmen zugrunde:
1. Männer und Frauen haben in der Phylogenese je nach Kontext Kurzzeit- und Langzeitpartnerschaften gesucht, bei welchen die reproduktiven Vorteile die Kosten aufgewogen haben.
2. Kurzzeit- vs- Langzeitpartnerschaften schaffen jeweils unterschiedliche Anpassungsprobleme.
3. Wegen der Asymmetrie der Geschlechter beim parentalen Investment suchen Männer öfter nach Kurzzeitpartnerschaften als Frauen.
4. Die Anpassungsprobleme, die sich je nach Zeitkontext für Männer und Frauen stellen, sind jeweils unterschiedlich.
5. Männer werden in ihrem Reproduktionserfolg in erster Linie durch die Anzahl der Frauen beschränkt, die sie schwängern können. Diese Beschränkungen sind für Kurzzeit- vs. Langzeitpartnerschaften unterschiedlich.
6. Frauen werden in ihrem Reproduktionserfolg in erster Linie durch die Qualität und Quantität der externen Ressourcen beschränkt, welche sie von einem Partner für sich und ihre Nachkommen erhalten. Diese Beschränkungen sind für Kurzzeit- vs. Langzeitpartnerschaften unterschiedlich.
7. Männer und Frauen haben EPM, die es ermöglichen erfolgreiche Kurzzeit- oder Langzeitpartnerschaften zu suchen und zu unterhalten.
8. Diese EPM zusammen mit ihren behavioralen Korrelaten und dem jeweiligen Zeitkontext bilden die sog. sexuellen Strategien von Männern und Frauen. Strategien werden als evolvierte Lösungen bestimmter Anpassungsprobleme betrachtet, ohne dass diese dem Individuum bewusst sein müssen.

Da die Anpassungsprobleme je nach Zeitkontext und Geschlecht verschieden sind, ergeben sich vier mögliche Arten von Anpassungsproblemen. Diese sind in Tabelle 2 in Anlehnung an Buss und Schmitt dargestellt.

Tabelle 2: Anpassungsprobleme bei der Partnerwahl nach Zeitkontext und Geschlecht.
Art der Partnerschaft Männer Frauen
Kurzzeitpartnerschaft
  1. Anzahl der Partner
  2. Identifikation von Frauen, die sexuell verfügbar sind
  3. Minimierung der Kosten, des Risikos und der Bindung
  4. Fruchtbarkeit der Frauen
  1. Sofortige Ressourcenausbeutung
  2. Identifikation von Kurzzeitpartner als mögliche Langzeitpartner
  3. Genqualität des Partners
  4. Wechseln des Partners, Abstoßen des Partner, Behalten des Partnes
Langzeitpartnerschaft
  1. Sicherheit der Vaterschaft
  2. Reproduktionswert der Frau
  3. Partnerbindung
  4. Gute elterliche Fähigkeiten
  5. Genqualität des Partners
  1. Identifikation von Männern, die bereit sind zu investieren
  2. Identifikation von Männern, die fähig sind zu investieren
  3. Köperlicher Schutz
  4. Partnerbindung
  5. Gute elterliche Fähigkeiten
  6. Genqualität des Partnes

Zur Lösung dieser Anpassungsprobleme haben sich nach Buss und Schmitt nun bestimmte Partnerwahlpräferenzen herausgebildet, und zwar für jede mögliche Kombination aus Zeitkontext und Geschlecht und jedes der aufgeführten Anpassungsprobleme. Für den Zeitkontext ergeben sich innerhalb jedes Geschlechts Variationen in den Präferenzen und zwischen den Geschlechtern ergeben sich, bei jeweils gleichem Zeitkontext, Geschlechtsunterschiede. Die Kombination „unterschiedlicher Zeitkontext bei jeweils gleichem Geschlecht“ zeigt also Variation innerhalb eines Geschlechts auf, die z. B. durch solche Prozesse wie frequenzabhängige Selektion aufrecht erhalten werden kann. Die Kombination „unterschiedliches Geschlecht bei jeweils gleichem Zeitkontext“ zeigt Geschlechtsunterschiede in den Partnerwahlpräferenzen aus. Aus methodischer Sicht wichtig ist, dass sich auf diese Weise überprüfbare Vorhersagen zu Geschlechtsunterscheiden herleiten lassen. Im Rahmen der Entwicklung der SST haben dies die Autoren für jedes der jeweils auftretenden Anpassungsprobleme getan. Im Folgenden werden wir für jede der vier denkbaren Kombinationen die von Buss und Schmitt ausgeführten Hypothesen und gemachten Vorhersagen aufzählen. Ziel dieser Ausführungen im Weiteren ist es, die sich ergebenden Präferenzen aufzuzeigen. Wir werden im Rahmen unseres eigenen Modells auf diese Präferenzen erneut zu sprechen kommen, da sie letztendlich bei der Beurteilung einer Person im Rahmen der Partnerwahl eine tragende Rolle einnehmen.

Für Männer ergeben sich bei Kurzzeitpartnerschaften entsprechend Tabelle 2 vier Anpassungsprobleme. Buss und Schmitt leiten daraus die erste Hypothese ab, dass wegen des geringeren parentalen Investment des männlichen Geschlechts Kurzzeitpartnerschaften häufiger vorkommen als bei Frauen. Aus dieser ersten Hypothese werden fünf empirisch prüfbare Vorhersagen abgeleitet. Zum Ersten haben Männer ein allgemein höheres Bedürfnis nach Kurzzeitpartnern als Frauen. Zum Zweiten wünschen Männer sich für jeden denkbaren Zeitrahmen mehr Partner als Frauen. Zum Dritten willigen Männer in einer entstehenden Beziehung viel früher in Sexualverkehr ein als Frauen. Zum Vierten sind die Standards (verstanden als Anforderungen an potentielle Partner) weniger hoch als die von Frauen. Und zum Fünften werden Männer bei der Suche nach Kurzzeitpartnerinnen weniger strenge Ausschlusskriterien anwenden als Frauen.

Die zweite Hypothese, die Buss und Schmitt aufstellen, besagt, dass Männer ausgeprägte Mechanismen haben welche die Identifikation derjenigen Frauen erlauben, die sexuell zugänglich sind. Daraus ergeben sich zwei empirische Vorhersagen. Zum Ersten sagen die Autoren voraus, dass im Kontext von Kurzzeitpartnerschaften Hinweisreize, die auf eine sofortige sexuelle Zugänglichkeit potenziellen Kurzzeitpartnerinnen, wie z. B. Promiskuität und ersichtliche sexuelle Erfahrung, mehr geschätzt werden als die bei potenziellen Langzeitpartnerinnen der Fall ist. Zum Zweiten werden solche Hinweisreize, die auf eine Abneigung zu schnell verfügbaren Sexualverkehr, wie z. B. Prüderie oder sexuelle Unerfahrenheit, schließen lassen und ein geringer Sexualtrieb wenig geschätzt. Als dritte Hypothese wird angenommen, dass Männer solche EPM besitzen, die das Investment in und die Bindung an die Partnerin bei Kurzzeitpartnerschaften minimiert. Daraus folgt die Vorhersage, dass Männer diejenigen Attribute, welche auf eine tiefe Bindung und ein starke Ressourcenextraktion hindeuten, bei Kurzzeitpartnerinnen weniger schätzen werden. Als vierte und letzte Hypothese wird angenommen, dass Männer solche EPM besitzen, die die Identifikation von solchen Frauen gestatten, die fruchtbar sind. Daraus folgt die Vorhersage, dass Männer ein großes Gewicht auf die physische Attraktivität legen, da die meisten Hinweisreize auf Fruchtbarkeit physischer Natur sind und zum Zweiten folgt daraus, dass Männer sowohl in Kurzzeit- als auch in Langzeitpartnerschaften unattraktive Frauen nicht bevorzugen werden.

Wechseln wir nun den zeitlichen Kontext, so ergeben sich laut Tabelle 2 für Männer, die eine Langzeitpartnerin, suchen fünf Anpassungsprobleme. Die erste Hypothese besagt, dass Männer Mechanismen besitzen, die das Problem der Vaterschaftsunsicherheit lösen. Die erste Vorhersage lautet, dass bei Männern Hinweisreize, welche auf sexuelle Treulosigkeit hindeuten, besonders stark aktiviert werden und entsprechend eifersüchtiges Verhalten evoziert wird. Darüber hinaus wird ein Geschlechtsunterschied angenommen, dass Männer eher durch Anzeichen sexueller Aktivität der Partnerin mit einem Rivalen eifersüchtiges Verhalten zeigen und Frauen eher auf solches Verhalten reagieren, das auf emotionale Zuwendung ihres Partners zu einer Rivalin hindeutet. Weiterhin folgern Buss und Schmitt, dass in Langzeitbeziehungen Männer eher solche Frauen bevorzugen die Ergebenheit, sexuelle Treue und Keuschheit zeigen. Damit einhergehend werden solche Persönlichkeitseigenschafen wie Promiskuität und sexuelle Freizügigkeit von Männern bei potenziellen Langzeitpartnerinnen weniger präferiert werden, da mit ihnen ein hohe Vaterschaftsunsicherheit verbunden ist. Die zweite Hypothese besagt, dass Männer solche EPM entwickelt haben, die es ihnen ermöglichen, möglichst fruchtbare Frauen als Langzeitpartnerinnen auszuwählen. Diese Hypothese ist analog zu der vierten Hypothese bei Kurzzeitpartnerschaften und auch die empirischen Vorhersagen zu den vorzufindenden Präferenzen sind ähnlich. So schätzen Männer bei Langzeitpartnerschaften die physische Attraktivität als besonders wichtig ein und weiterhin wird angenommen, dass das Alter der Frau und deren Gesundheit besonders wichtig sind.

Soweit zu den Präferenzen, die sich bei Männern ergeben. Die Betrachtung kann analog auch für Frauen vorgenommen werden. Sehen wir uns zuerst die Präferenzen an, die sich als Lösungen auf die Anpassungsproblem im Kontext von Kurzzeitpartnerschaften entwickelt haben. Als erste Hypothese nehmen Buss und Schmitt an, dass Frauen nach Männern suchen, die bereit sind, sofort Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Daraus leitet sich die Vorhersage ab, dass Frauen diejenigen Männer bevorzugen, die bereit sind, sofort von ihren Ressourcen herzugeben und dass sie umgekehrt diejenigen Männer ablehnen werden, die ihre Ressourcen zurückhalten wollen. Die nächste Hypothese besagt, dass Frauen mehr als Männer Kurzzeitpartnerschaften zur Evaluation von möglichen Langzeitpartnern nutzen und damit auch diejenigen Männer bevorzugen werden, welche die Merkmale besitzen, die gewünschten Merkmalen bei Langzeitpartnern entsprechen. Aus dieser Hypothese werden drei empirische Vorhersagen abgeleitet: Zum Ersten bevorzugen Frauen solche Männer, die schon in einer Beziehung sind, da die vorhandene Beziehung darauf schließen lässt, dass die gewünschten Eigenschaften beim potentiellen Partner vorhanden sind. Zum Zweiten bevorzugen sie solche Männer die nicht promiskuitiv erscheinen, da bei solchen Männern die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie die Frau in der Zukunft betrügen werden. Und zum Dritten bevorzugen Frauen solche Männer, die körperlich groß und physisch stark erscheinen, da eine weitere angenommene Funktion der Kurzzeitpartnerschaft das Suchen eines temporären Beschützers ist.

Bei Langzeitpartnerschaften von Frauen sollen folgende Annahmen gelten: Es ist Frauen wichtig, vom Mann genügend ökonomische und andere Ressourcen zu bekommen, die in den Nachwuchs investiert werden können. Daraus ergibt sich die erste Vorhersage, dass Frauen solche Eigenschaften bevorzugen, welche die Möglichkeiten des Mannes, Ressourcen zu akquirieren, signalisieren. Solche Eigenschaften sind z. B. Ambitioniertheit, ein gutes Einkommen, beruflicher Status und ein gesicherter finanzieller Hintergrund. Folglich werden Frauen solche Attribute, die die Unfähigkeit eines Mannes zum sozialen Aufstieg signalisieren, wenig zu schätzen wissen. Solche Eigenschaften sind Armut, fehlende Ambitioniertheit oder mangelnde Bildung.

In Anlehnung an die Darstellung von Tabelle 2 kann man die jeweiligen Präferenzen ihren sie bedingenden Anpassungsproblemen zuweisen (s. Tabelle 3 in Anlehnung an Buss und Schmitt, 1993):

Tabelle 3: Präferenzen bei der Partnerwahl entsprechend der Anpassungsprobleme.
Art der Partnerschaft Männer Frauen
Kurzzeitpartnerschaft
  1. Präferenz für Kurzzeitpartnerschaften
  2. Wunsch nach häufigeren Beziehungen zu verschiedenen Partnerinnen
  3. Präferenz für möglichst baldigen Sexualverkehr in einer Beziehung
  4. 4.Wenig stringente Auswahlkriterien für Kurzzeitpartnerinnen
  5. Präferenz für promiskuitive oder sexuell erfahrene Frauen
  6. Abneigung gegenüber Partnerinnen, die prüde oder sexuell unerfahren sind
  7. Präferenz für Frauen, die keine Bindung eingehen wollen
  8. Präferenz für physisch attraktive Frauen und Ablehnung unattraktiver Frauen
  1. Präferenz für großzügige Männer und Ablehnung geiziger Männer
  2. Präferenz für „Single“-Männer
  3. Ablehnung promiskuitiver Männer, da diese vermutlich keine spätere Langzeitpartnerschaft eingehen
  4. Präferenz für athletische und körperlich starke Männer
Langzeitpartnerschaft
  1. Eifersucht als Reaktion auf sexuelle Untreue
  2. Präferenz für Frauen, die ergeben, sexuell treu und keusch sind
  3. Ablehnung von promiskuitiven Frauen
  4. Präferenz für jung aussehende Frauen
  1. Präferenz für ambitionierte, wohlhabende, gebildete und einkommensstarke Männer
  2. Ablehnung von unambitionierten, ungebildeten und einkommensschwachen Männern


Soweit die Darstellung der SST. Allerdings kann die SST als alleinige Erklärung von Variationen im Sexualverhalten nicht uneingeschränkt gültig sein. Das Hauptaugenmerk von Buss und Schmitt (1993) liegt auf der Erklärung von Geschlechtsunterscheiden, und hier insbesondere auf dem Befund, dass Männer eine größere Neigung als Frauen zu Kurzzeitpartnerschaften haben. Die Erklärung von Variationen des Sexualverhaltens innerhalb eines Geschlechts wird dabei nicht gesondert betrachtet. An dieser Stelle setzen Gangestad und Simpson (2000) an der SST an, und erweitern die Vorstellung, dass nicht nur die beiden Geschlechter unterschiedliche sexuelle Strategien verfolgen, sondern dass Individuen eines Geschlechts unterschiedliche sexuelle Strategien verfolgen können. Gangestad und Simpson (2000) gehen dabei von der Annahme aus, dass eine bestimmte Strategie durch eine Vielzahl bestimmter Taktiken (die sich als Verhalten darstellen) zur Erreichung des angestrebten Ziels realisiert werden können. Dabei wird durch den Kontext eine bestimmte Strategie ausgelöst, es handelt sich also um konditionale Strategien. Die jeweils ausgelöste Strategie führt dann jeweils zu einer für das Individuum höheren Fitness als die anderen möglichen Strategien (Gross, 1996). Der Wahl der Strategie muss also eine Kosten-Nutzen-Kalkulation zu Grunde liegen, d. h. welche Strategie welchen Nutzen für die genetische Fitness des Individuums hat und welche Kosten jede Strategie mit sich bringt. Solche Betrachtungen werden im Rahmen der evolutionären Spieltheorie angestellt (Maynard Smith, 1982). Eine derartige Betrachtung muss dabei zu den möglichen Strategien die Eigenschaften des Individuums sowie die Gegebenheiten der Umwelt mit einbeziehen. Zur der Umwelt gehören neben der physikalischen Umwelt im wesentlich auch die soziale Umwelt, und hier insbesondere diejenigen Individuen, welche die Partner auswählen. In unserem Fall folgt also eine Betrachtung, welche Strategie sich bei einem Mann in Abhängigkeit von seinen Eigenschaften und den Präferenzen der Frauen ergibt. Mit welchen Strategien werden nun solche Kosten-Nutzen-Kalkulationen durchgeführt? Nach Gangestad und Simpson (2000) gibt es zwei relevante Strategien (und damit einhergehend die entsprechenden Verhaltenstaktiken): Eine Langzeitpartnerschaft und dem damit verbundenen, maximalen parentalen Investment in die Nachkommen aus dieser Partnerschaft oder viele Kurzzeitpartnerschaften und dem damit verbundenem minimalen parentalen Investment in die Nachkommen aus diesen Partnerschaften. Hier wird überdies deutlich, dass die Überlegungen als Ergänzung zur SST gedacht sind, in dem Sinn, dass bei dem Modell von Gangestad und Simpson der Fokus auf der Variation innerhalb eines Geschlechts liegt, die betrachteten Strategien aber die gleichen wie bei der SST sind. Nach Gross (1996) hat sich nun die Strategie durchgesetzt, dass es für Männer am effektivsten ist, sehr viel in eine Partnerin und die von ihr geborenen Nachkommen zu investieren. Bieten sich dann für diesen Mann aber Gelegenheiten für Kurzzeitpartnerschaften – die entsprechenden Partnerinnen sind meistens die Langzeitpartnerinnen anderer Männer – kann er durch Ausnutzen dieser Gelegenheiten seinen differenziellen Reproduktionserfolg steigern. Bietet sich keine Gelegenheit für Kurzzeitpartnerschaften mit anderen Frauen, so verstärken die Männer ihr Investment in ihre Langzeitpartnerschaft, wozu nach Gangestad und Simpson auch das Anwenden von „mate guarding“ gehört, einer Taktik, die auch nach der SST von Männern in Langzeitpartnerschaften angewandt wird. Die Strategie der Kurzzeitpartnerschaft wird also nur bei passender Gelegenheit angewandt wozu noch kommt, dass sich diese Gelegenheiten selten finden und überdies nur wenige Männer die notwendigen Eigenschaften besitzen um Kurzzeitpartnerinnen anziehen zu können. An dieser Stelle wird der interaktive Charakter sowohl der SST als auch der Theorie von Gangestad und Simpson deutlich. Männer suchen, bei entsprechenden auslösenden Umweltbedingungen Kurzzeitpartnerschaften und werden dabei aufgrund ihrer Eigenschaften von den Frauen als mögliche Kurzzeitpartner akzeptiert oder nicht. Dies ist ein weiterer Schnittpunkt zur Spieltheorie, bei der der Nutzen der angewandten Verhaltensstrategie eines Individuums in Abhängigkeit von der Verhaltensstrategie eines anderen Individuums betrachtet wird. Wir müssen nun die Frage beantworten, welche Eigenschaften Männer als Kurzzeitpartner attraktiv machen. Dabei beschränken wir uns aber nicht auf diese Frage, sondern fragen allgemein, welche Eigenschaften sowohl Männer als auch Frauen attraktiv machen. Wir werden ebenfalls später über den Rahmen der in der Theorie von Gangestad und Simpson (1990) hauptsächlich betrachteten Kurzzeitpartnerschaften hinaus gehen, da sich die später abgeleiteten Attraktivitätsindikatoren sowohl auf Kurzzeit- wie auf Langzeitpartnerschaften beziehen. Zunächst aber betrachten wir weiterhin diejenigen Eigenschaften, die Männer als Kurzzeitpartner attraktiv machen und fragen uns, welches biologische Prinzip dahinter steht.

Das Problem bei diesen Eigenschaften ist darin begründet, dass durch das Ausbleiben des parentalen Investments keine der Indikatoren verwendet werden können, die sich auf die Ressourcen, die der Mann möglicherweise investieren könnte, beziehen. Die oben genannten Präferenzen für gebildete, wohlhabende und einkommensstarke Männer stellen demnach keine validen Indikatoren dar. Es müssen also andere Eigenschaften sein, die ein männliches Individuum als Kurzzeitpartner attraktiv machen. Ein Ansatz ist die „good-gene sexual selection“ (GGSS). Danach haben Frauen evolvierte Mechanismen die dafür sorgen, dass sie Männer präferieren, die Indikatoren für Gesundheit und eine gute körperliche Verfassung haben. Wobei die adaptive Logik in der Annahme besteht, diese Eigenschaften würden den Nachkommen weitergegeben und dadurch wiederum deren Attraktivität erhöhen (hier wird auf die „sexy-sons“ Hypothese verwiesen). Diese Eigenschaften werden an Indikatoren festgemacht, die erblich sind. Die Orientierung der Indikatoren an erblichen Eigenschaften bzw. Merkmalen ist deswegen notwendig, weil die Merkmale eine Verteilung ihrer Ausprägung in der Population aufweisen und somit jedes Individuum eine unterschiedliche Ausprägung eines Merkmals aufweist. Hätten alle Individuen das gleiche Merkmal in der gleichen quantitativen Ausprägung, so hätte dieses Merkmal keine Indikatorfunktion mehr. Damit sich Partnerpräferenzen, die sich nach erblichen Indikatoren richten überhaupt entwickeln können, muss nach Gangestad und Simpson die Fitness (also die Angepasstheit des Merkmals, das als Indikator dient) genetisch von Generation zu Generation übertragen werden. Da man die Varianz eines Merkmals in einer Population in einen genetisch bedingten Anteil, einen umweltbedingten Anteil und einen Fehleranteil zerlegen kann (Asendorpf, 1999), ist es der genetisch bedingte Anteil an der Varianz eines Merkmals, der mit der Fitness gekoppelt sein muss.

Welche Prozesse sind nun dafür verantwortlich, dass überhaupt eine genetisch bedingte Variation der Fitness vorliegt? Die Antwort auf diese Frage gibt auch Hinweise auf die Bedeutung, welche die damit einhergehenden Indikatoren für das auswählende Individuum besitzen. Nach Fischer (1958) wir die genetische Variation der Fitness in einer Population durch zwei gegensätzlich wirkende Kräfte verursacht. Zum einem die natürliche Selektion, die dafür sorgt, dass sich der Anteil genetisch bedingter Variation der Fitness zurückgeht. Die andere Kraft, die für den Erhalt der genetisch bedingten Variation sorgt, reduziert die Angepasstheit der Populationsmitglieder durch Mutationen und Änderungen der Umweltbedingungen. Solange es keine Mutationen und Änderungen der Umweltbedingungen gibt, sorgt die natürliche Selektion für einen Anteil der genetischen Varianz nahe Null. Mutationen sind erbliche Veränderungen im genetischen Material, die meistens durch Verdoppelungsfehler während der Zellteilung auftreten und die ein Allel durch ein anderes ersetzen. Daneben gibt es auch Chromosomennotationen (Mayr, 2003). Ändert sich die Umwelt evolutionärer Anpassungen führt dies dazu, dass die bisher gut angepassten Individuen dies nicht mehr sind und dass damit ein neuer Selektionsprozess eingeleitet wird. Dieser Prozess kann aber nur bei einer ausreichenden Variation des betreffenden Merkmals eintreten. Hätten alle Populationsmitglieder nur eine Ausprägung des Merkmals, würden die meisten dieser Individuen durch die natürliche Selektion verschwinden und ihr differenzieller Reproduktionserfolg wäre sehr gering – und somit ein Aussterben dieser Individuen sehr wahrscheinlich. Parasiten sind ein Faktor, der einen schnellen Wechsel der EEA ermöglicht (Hamilton, 1972). Parasiten entwickeln sich parallel zu den Abwehrmechanismen, die ein Organismus gegen sie entwickelt. Es liegt eine Parasiten-Wirte-Koevolution vor, welche die genetische Varianz und damit auch die erbliche Fitness eines Merkmals erhöht. Die Parasiten-Wirte-Koevolution ist überdies ein Ausgangspunkt für eine Theorie der sexuellen Reproduktion beim Menschen (Hamilton, 1980; Tooby, 1982). Danach bieten Spezies, welche sich asexuell reproduzieren, immer dasselbe physiologische Milieu, wohingegen bei der sexuellen Reproduktion durch die Mischung zweier Genome immer ein verändertes physiologisches Milieu entsteht, welches eine erhöhte Wahrscheinlichkeit hat, gegen die Parasiten resistent zu sein. Kirkpatrick (1996) konnte zeigen, dass ein großer Anteil genetischer Varianz an der Fitness eines Merkmals GGSS hervorruft.

Durch solche Prozesse lässt sich GGSS als Ursache für die Präferenz von Indikatoren, welche Gesundheit und eine gute körperliche Verfassung angeben, erklären. Die Frage ist nun, welche Merkmale als Indikatoren in Frage kommen. Hier verlassen wir auch den Rahmen der Theorie von Gangestad und Simpson (1999). Die gleiche adaptive Logik liegt nämlich auch der Auswahl von potentiellen Kurzzeitpartnerinnen von männlicher Seite aus betrachtet zugrunde, und darüber hinaus lässt sich diese Logik auch im Rahmen von Langzeitpartnerschaften anwenden. Die gilt weil die benutzten Indikatoren sowohl zur Evaluation von Langzeit- sowie Kurzzeitpartner benutzt werden können, dies wird aus Tabelle 3 ersichtlich. In jedem Feld findet sich die Präferenz für attraktive Partner und die gesuchten Indikatoren beziehen sich, wie wir unten sehen werden, auf die Attraktivität einer Person.

Weiterhin wird im Folgenden einiges an empirischer Evidenz vorgetragen, die belegen soll, dass körperliche Merkmale und deren individuelle Ausprägung in der Partnerwahl von Bedeutung sind. Dies dient als Untermauerung für die schon vorgetragene Sichtweise von Saucier und Goldberg (1998) die Persönlichkeit eines Menschen im Sinne der lexikalischen Hypothese nicht nur aus der Analyse der persönlichkeitsbeschreibenden Begriffe, sondern der personenbeschreibenden Begriffe abzuleiten. Wenn körperliche Merkmale sowie interindividuelle Unterschiede in diesen Merkmalen von Bedeutung sind, müssen sie entsprechend der Annahmen des lexikalischen Ansatzes Eingang in die Sprache gefunden haben und müssen ebenso als Persönlichkeitsfaktoren in Erscheinung treten. Die Frage ist nur, welche Merkmale als Indikatoren für die genetische Qualität im Sinn der GGSS in Frage kommen.

Die gesuchten Indikatoren sollen valide über die Fitness eines Individuums Auskunft geben. Da phänotypische Merkmale als Indikatoren dienen, kann nie mit Sicherheit auf die zu Grunde liegende genetische Fitness zurückgeschlossen werden. Merkmale die sich anbieten sind solche, die derart hohe Kosten verursachen, dass sich nur bei denjenigen Individuen diese Merkmale ausbilden können, die tatsächlich über eine entsprechend hohe Fitness verfügen. Solche Merkmale nennt man nach Zahavi (1975) Handicap. Zahavi’s Handicap-Prinzip besagt, dass Fitnessindikatoren nur dann zuverlässig sein können, wenn sie derartige Kosten verursachen dass Individuen mit geringer Fitness diese nicht ausbilden können (Miller, 2001). Solche Merkmale können also dann valide Indikatoren sein, wenn Individuen mit Mutationen oder solche, die weniger resistent gegenüber Parasiten sind, diese nicht ausbilden können (Pomiankowski, Iwasa, Nee, 1991; Hamilton und Zuk, 1982). Individuen mit einer geringen Fitness können diese Merkmale also nicht ausbilden, da es ihnen nicht möglich ist, entsprechende Ressourcen aus anderen Bereichen, wie z. B. dem Immunsystem, zu Ausbildung der Merkmale bereitzustellen. Nachdem nun geklärt wurde, welche Anforderungen an die Indikatormerkmale gestellt werden, muss jetzt noch geklärt werden, welche Merkmale überhaupt in Frage kommen. Nach Gangestad und Simpson (2000) ist die fluktuierende Asymmetrie (FA) ein übergreifender Marker für die phänotypische und damit auch genotypische „Qualität“ von Individuen. Fluktuierende Asymmetrie ist definiert als die Abweichung der beiden Körperhälften von perfekter Symmetrie. FA lässt auf interindividuelle Unterschiede in der Fähigkeit, während der Entwicklungszeit störenden Umwelteinflüsse zu widerstehen, schließen (Gangestad und Thornhill, 1999). FA spiegelt also die Fähigkeit eines Organismus wieder, ein „Programm“ während der Entwicklung unter störenden Bedingungen auszuführen. Solche störenden Bedingungen können nach Ludwig (1932, zitiert nach Gangestad und Thornhill, 1999) die schon genannten Mutationen und Parasiten, aber auch Giftstoffe oder sonstige Randbedingungen sein. Individuen mit einer hohen FA haben häufig ein geringes Gesundheitsniveau, das durch die Umwelt oder genetische Defekte hervorgerufen wird (Møller, 1993). Merkmale, die FA zeigen, können also als Indikatoren für die erbliche Fitness eines Individuums dienen. Dabei gilt, dass Merkmale, die wenig FA zeigen, als attraktiv wahrgenommen werden. Merkmale, die perfekte Symmetrie zeigen, werden allerdings als unnatürlich wahrgenommen, Henss (1998) hat dies für das Gesicht dargestellt. In der aktuellen Forschung wird hauptsächlich das Gesicht als Indikator diskutiert (Thornhill und Gangestad, 1999, für eine ausführliche Übersicht siehe Henss, 1998). Dabei sind es aber nicht nur Merkmale, die FA aufweisen, die zur Attraktivitätseinschätzung benutzt werden, auch die Reinheit der Haut ist ein Indikator für Gesundheit. Wie wir nachfolgend sehen werden, gibt es speziell beim Gesicht bestimmte physiognomische Merkmale, die geschlechtsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt sind und mit der Funktionsweise des Hormonsystems zusammenhängen. Thornhill und Gangestad (1990) führten als Beispiel das weibliche Geschlechtshormon Östrogen an. Östrogen hängt mit der Fruchtbarkeit zusammen und ein hoher Östrogenspiegel beeinträchtigt das Immunsystem. Somit dient der Östrogenspiegel al ein Handicap. Das Verhältnis Östrogen zum männlichen Geschlechtshormon Testosteron bei Mädchen in der Pubertät ist auch verantwortlich für die Ausbildung bestimmter Gesichtsmerkmale. Ein hoher Östrogenspiegel bewirkt, dass der Kiefer schmal bleibt, die Wangenknochen breiter und die Lippen voller werden. Beim pubertierenden Jungen bewirkt ein hoher Testosteronspiegel, dass sich das Kinn breit ausbildet. Ebenso wie Östrogen wirkt sich Testosteron hemmend auf das Immunsystem aus, ist also auch ein Handicap. Ein anderes Merkmal, das im Zusammenhang mit FA und dem Hormonhaushalt diskutiert wird, ist die weibliche Brust. Brüste sind Merkmale, die beim Menschen ausgeprägte sexuelle Dimorphismen aufweisen. Die Entwicklung beginnt mit dem Einsetzen der Pubertät und hängt ebenfalls mit dem Östrogenspiegel zusammen. Je höher der Östrogenspiegel, desto mehr Fettablagerung findet in der Brust statt, d. h. desto größer werden die Brüste. Allerdings führt der hohe Östrogenspiegel auch zu einer vergrößerten Asymmetrie der linken und rechten Brust. Allerdings zeigt sich hier ein allometrischer Effekt, bei großen Brüsten sind die gefundenen Asymmetrien kleiner als erwartet (Manning, Scutt, Whitehouse und Leinster, 1996). Bei Frauen mit „guten Genen“ bilden sich symmetrischere Brüste aus. Große und symmetrische Brüste sind somit ein Zeichen hoher phänotypischer Qualität (Manning, Scutt, Whitehouse und Leinster, 1997). So konnten Møller, Soler und Thornhill (1994) zeigen, dass die FA der Brüste bei Frauen ohne Kinder größer ist als bei Frauen, die mindestens ein Kind haben und dass Brustasymmetrie ein reliabler Prädiktor für die vom Alter unabhängige Fruchtbarkeit einer Frau ist. Manning, Scutt, Whitehouse und Leinster (1997) fanden überdies positive Korrelationen zwischen Brustasymmetrie und dem Alter bei der Geburt des ersten Kindes. Brustasymmetrie war bei verheirateten Frauen weniger ausgeprägt und negativ mit der Anzahl der Nachkommen korreliert. Darüber hinaus stellt die weibliche Brust wegen der physiologisch aufwendigen Anlagerung von Fettgewebe während der Pubertät ein Handicap dar, was dadurch verstärkt wird, dass das Fettgewebe zum Funktionieren der Brust als Stillorgan nicht notwendig ist (Jared, 1998). Jared (1998) berichtet von Untersuchungen, bei denen nachgewiesen worden ist, dass sogar die rudimentären Milchdrüsen des Mannes zur Milchproduktion stimuliert werden können. Ein weiteres Merkmal, das zwar nicht im Kontext der FA beschrieben wurde, aber auch im Rahmen der Handicap-Theorie betrachtet werden kann, ist die Figur einer Frau. Die Figur wird durch die Fettverteilung bestimmt und diese wiederum hängt, wie wir oben schon gesehen haben, vom Funktionieren des Hormonsystems und der Fähigkeit des Organismus ab, gegen widrige Umwelteinflüsse eine optimale Fettverteilung herstellen zu können. Die Begründung der Fettverteilung ist aber noch weit reichender. So nehmen Singh und Young (1995) an, dass während der Phylogenese ständig wechselnde Zyklen von Nahrungsmittelknappheit und Überfluss auftreten. Dadurch ist es Frauen, die Energie in Form von Körperfett speichern können möglich, die Phasen der Nahrungsmittelknappheit während der Schwangerschaft und Stillzeit besser zu überstehen, was ihren differenziellen Reproduktionserfolg erhöht. Die Energie, die für Schwangerschaft und Milchproduktion während eines Jahres verbraucht wird, entspricht ca. 16 kg Körperfett (Brown und Konner, 1987). Überdies ist für einen regelmäßigen Menstruationszyklus eine Mindestmenge an Körperfett nötig (Frisch, 1990). Merkmale die vor diesem Hintergrund untersucht werden sind neben der schon erwähnten Brustgröße das Taille-Hüft-Verhältnis (waist-to-hip ration, WHR) und die Gesäßgröße. Das WHR ergibt sich aus der Division von Taillenumfang und Hüftumfang. Es gibt empirische Belege, dass die Fähigkeit von Fettzellen zur Energiespeicherung von deren Position am Körper abhängt. Die Körperfettverteilung, wie sie vom WHR angegeben wird, korreliert mit dem Beginn der endokrinen Aktivität der Pubertät sowie der Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung und ist darüber hinaus noch ein Indikator für verschiedene Krankeiten und Abberationen der Sexualhormone. (Singh, 1993; DeRidder, Bruning, Zonderland, Thijssen, Bonfrer, Blankenstein, Huisvield und Erich, 1990; Zaastra, Seidell, Van Nord, te Velde, Habbema, Vrieswijk und Karbaat, 1993; Björntorp, 1988).

Nach den aufgeführten physiologischen Befunden stellt sich die Frage, ob sich entsprechende EPM entwickelt haben, die auf die jeweiligen Merkmale bzw. die individuelle Ausprägung der Merkmale bei einem potenziellen Partner reagieren. Diese EPM sollten dafür sorgen, dass die o. g. Merkmale als attraktiv empfunden bzw. präferiert werden. Man muss also nachweisen, dass die entsprechenden Merkmale als attraktiv wahrgenommen werden. Bezüglich der weiblichen Figur gibt es eine Reihe empirischer Belege. So ließen Singh und Young (1995) Männer Strichzeichnungen von Frauen, die jeweils systematisch in den Faktoren schlank/übergewichtig, WHR mit den Stufen .7 und 1 sowie der Brustgröße mit jeweils kleinen und großen Brüsten variiert wurden, nach Attraktivität, weiblichem Aussehen, Gesundheit und die Erwünschtheit als Kurzzeit- bzw. Langzeitpartnerin beurteilen. Die Zeichnung mit den Ausprägungen schlank, WHR .7 und großen Brüsten wurden dabei am attraktivsten, als gesünder und erwünschter als Kurz- bzw. Langzeitpartnerinnen von den Versuchspersonen beurteilt. In einer nachfolgenden Beurteilung wurden die gleichen Strichzeichnungen wiederum nach denselben Attributen von Männern beurteilt, nur wurde diesmal die Breite der Hüfte und Taille (bei gleich bleibendem WHR) in den Stufen breit/schmall und die Größe der Brüste in den Stufen große Brüste/kleine Brüste systematisch variiert. Dabei zeigte sich wieder, dass die Zeichnungen mit schmalen Hüften und großen Brüsten attraktiver beurteilt wurden als Zeichnungen mit breiten Hüften und kleinen Brüsten, ebenso waren sie wünschenswerter als Kurzzeit- bzw. Langzeitpartnerin. Furnham, Dias und McClelland (1998) erweiterten das erste Experiment von Singh und Young (1995), indem nicht nur Männer, sondern auch Frauen die Strichzeichnungen beurteilten. Dabei zeigten sich Interaktionseffekte des Beurteilergeschlechts mit der Figur und der Brustgröße. Frauen schätzten weibliche Figuren mit einem WHR von .7 attraktiver ein als Männer. Darüber hinaus beurteilten die Männer die Figuren mit kleinerem WHR als attraktiver, als die Frauen dies taten. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass die Urteilstendenzen sowohl bei Männern als auch bei Frauen in die gleiche Richtung gehen. Die jeweiligen Attribute werden nur je nach Geschlecht extremer beurteilt. Sowohl aus Singh und Young (1995) als auch aus Furnham, Dias und McClelland (1998) folgt, dass schlankere Figuren als attraktiver beurteilt werden. Dies lässt den Schluss zu, dass Männer schlankere Frauen bevorzugen. Die allgemeine Beurteilung von schlankeren Frauen als attraktiver scheint aber nicht unabhängig von der Umwelt zu sein. Buss (1999) argumentiert, dass die Präferenz für Frauen mit schlanker Figur kulturabhängig ist. So bedeutet eine mollige Figur in nahrungsmittelarmen Umwelten Gesundheit und Wohlstand, während in nahrungsmittelreichen Umwelten das Gegenteil gilt. Dort bedeutet Schlankheit Gesundheit und Wohlstand.

Fassen wir das bisher Gesagte zusammen. Wir haben gesehen, dass es Effekte der Homogamie auf Populationsebene gibt und, dass man die Effekte z. B. mit der SSL Hypothese auf proximater Ebene erklären kann. Hier wird die Ähnlichkeit der Gesichter von Partnern durch die Prägung auf die Gesichter der Eltern erklärt, wodurch Ähnlichkeiten entstehen sollen. Ebenso kann man wie oben ausgeführt die SSL Hypothese ultimat damit begründen, dass die Prägung auf die Gesichter von Eltern und das sich einstellende Sicherheitsgefühl die Wahrscheinlichkeit des Überlebens des Kindes erhöhen. Weiterhin haben wir gesehen, dass bei der Theorie der sexuellen Strategien die Partnerwahl unter den Aspekt der strategischen Spezialisierung des Partnerwahlverhaltens gestellt wurde, wobei diese Strategien dem Individuum nicht bewusst sein müssen. Es wird davon ausgegangen, dass durch eine entsprechende Partnerwahl eine Erhöhung des eigenen differenziellen Reproduktionserfolgs (und damit einhergehend eine Erhöhung der eigenen Fitness) möglich wird. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Anpassungsprobleme wurden EPM hergeleitet, die die Form von Partnerpräferenzen hatten. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es um die Frage geht, welchen Wert der gewählte Partner für den biologischen Erfolg des auswählenden Individuums hat. An dieser Stelle können wir nun auch den Begriff des „Marktwertes“ (s. o) präzisieren. Dazu betrachten wir die Partnerwerttheorie von Henss (1992, 1998), in der versucht wird, die oben angedeuteten Aspekte der Partnerwahl in einer Theorie zu integrieren.

Die Grundannahme der Partnerwerttheorie sagt aus, dass der biologische Erfolg eines Individuums von dessen langfristigem differenziellem Reproduktionserfolg abhängig ist. Henss (1998) nennt seine Sichtweise „Partnerwerttheorie der Attraktivität“. Dies ist sicherlich durch die Spezialisierung seiner Forschung auf den Bereich der physischen Attraktivität verständlich. Wir benutzen im Folgenden nur die Bezeichnung Partnerwerttheorie, da wir uns auf alle Eigenschaften beziehen wollen, für die die Annahmen der Partnerwerttheorie gelten Dabei strebt der Mensch nicht bewusst danach seinen differenziellen Reproduktionserfolg zu erhöhen, allerdings ist der Mensch mit psychischen Mechanismen ausgestattet, die Präferenzen und Verhaltensweisen beinhalten die gewollt oder ungewollt zur Fortpflanzung führen. Da sich der Mensch sexuell fortpflanzt, hängt der Reproduktionserfolg eines Individuums nicht nur von ihm selbst, sondern auch von dem gewählten Partner ab. Weiterhin wird angenommen, dass zwischen den potentiellen Partnern fortpflanzungsrelevante Unterschiede bestehen. Daraus ergibt sich die Definition des Partnerwerts:
„Der Partnerwert einer Person P für eine Person X umfasst all das, was P zum Fortpflanzungserfolg von X beiträgt bzw. beitragen könnte.“ (Henss, 1998)
Daraus folgt, dass ein Partner mit hohem Partnerwert per definitionem mehr zum differenziellen Reproduktionserfolg eines Individuums beiträgt als ein Partner mit geringem Partnerwert. Hieraus leitet Henss die Arbeitshypothese der Partnerwerttheorie ab:
„Im Verlauf der Evolution haben sich psychische Mechanismen herausgebildet, die es ermöglichen, Individuen mit hohem Partnerwert zu identifizieren, zu präferieren und als Fortpflanzungspartner zu wählen; und was wir heute als attraktiv empfinden, spiegelt das wieder, was im Verlauf der Evolution mit einem hohen Partnerwert einher ging.“ (Henss, 1998)
Die psychische Mechanismen sind aber nichts anderes als EPM, die deswegen entstanden sind, weil Individuen, die Partner mit einem hohen Partnerwert präferiert, gewählt und sich mit diesem erfolgreich fortgepflanzt hatten, einen höheren differenziellen Reproduktionserfolg hatten als Individuen, die dies nicht getan haben. Der Partnerwert kann nicht direkt beobachtet werden, stattdessen werden Merkmale beobachtet, die als Indikatoren für bestimmte biologische und psychologische Eigenschaften dienen. Die Wahrnehmung dieser Merkmale und die Evaluation als attraktiv erfolgt mit der Heuristik: „Finde jene Personen als attraktiv, die einen hohen Partnerwert haben.“ (Henss, 1998). Die Evaluation als attraktiv löst dann selbst wiederum verschiedene physiologische, affektive und kognitive Prozesse aus, die dafür sorgen, dass die bewertete Person präferiert wird. In der Partnerwerttheorie werden in Anlehnung an Trivers (1972) die Fähigkeit zur Reproduktion, die genetische Qualität und das parentale Investment als Merkmale genannt. Diese Merkmale kann man weiter untergliedern (s. Tabelle 4 nach Henss, 1998):

Tabelle: Merkmale des Partnerwerts nach Henss (1998).
Partnerwert
Fähigkeit zur Reproduktion Genetische Qualität Parentales Investment
  1. Richtige Spezies
  2. Richtiges Geschlecht
  3. Sexuelle Reife
  4. Sexuelle Kompetenz
  1. Überlebensfähigkeit
  2. Reproduktionsfähigkeit
  3. Genetische Komplementarität
  1. Fähigkeit zur Investition
  2. Bereitschaft zur Investition
  3. Verträglichkeit der Partnereigenschaft

Die o. g. Heuristik „Finde diejenigen attraktiv, die einen hohen Partnerwert haben“ kann dann aufgegliedert auf die einzelnen Komponenten des Partnerwerts so aussehen (Henss, 1998):
1. Finde jene Individuen attraktiv, die gesund aussehen.
2. Finde jene Individuen attraktiv, die jugendlich aussehen.
3. Finde jene Individuen attraktiv, die aussehen wie typische Mitglieder Deiner Gruppe.
4. Finde jene Individuen attraktiv, die typische Merkmale des anderen Geschlechts aufweisen.
5. Finde jene Individuen attraktiv, die einen hohen Status haben.

Jede dieser aufgegliederten Heuristiken kann sich natürlich auf mehrere Merkmale beziehen. So kann sich z. B. das Merkmal gesund auf solche Indikatoren wie Hautreinheit, Brustgröße oder WHR beziehen. Das Merkmal „hoher Status“ kann sich z. B. auf solche Indikatoren wie wohlhabend sein oder einkommensstark beziehen, es kann sich aber in einer anderen Umwelt ebenso auf solche Merkmale wie körperliche Stärke beziehen.

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